EBERHARD HAHNE
Photojournalist
Alte Liebe rostet nicht:
Methusalem war ein Motorrad
Ende Juni haben sich 30.000 Oldtimer-Fans am Nürburgring getroffen,
um 250 alte Motorräder und 350 alte Autos zu bestaunen.
Von Kai Horstmeier (Text) und Eberhard Hahne (Fotos)
Aber gut gepflegt, nicht?!“ Thorn Prikker spricht weder über die alte BMW, noch meint er die Imperia, Baujahr 1930. Sich selbst lobt der ehemalige Deutsche Meister von 1951 und 1952 in den höchsten Tönen: Prikker ist Baujahr 1911 und sieht noch aus wie auf den Siegerfotos von einst. Nur ein bißchen älter - ein Oldtimer eben. Und der 83jährige ist nicht allein: Rund 250 rüstige Motorräder konnten die 30.000 Besucher Ende Juni auf dem Nürburgring beim 12. Internationalen Oldtimerfestival bestaunen. Eine Harley Davidson 19 F von 1919 war der Methusalem unter den grauen Panthern hier am Ring.
Der Asphalt glüht. Auch im Fahrerlager hat die Sonne kein Erbarmen mit den Schraubern: Bei über 30 Grad sitzt Heinz Luthringshauser vor seiner 54er BMW RS 54 in der Mittagssonne und dreht die Zündkerzen ein. „Erst mußt du sie mit der Hand anziehen, dann mit dem Schlüssel“, weiß der 63jährige. Damit das Gewinde hält. Luthringshauser spricht, wie er Zündkerzen anzieht: Vorsichtig paßt er die Worte seinem Gegenüber an - bis er das Gewinde gefunden hat. Und dann zieht er an: 1959 war er Juniorenpokalmeister, 1970 Deutscher Meister, 1972 Vize-Weltmeister und dann - 1974 - hat Luthringshauser die berühmt-berüchtigte „TT“ auf der Isle of Man gewonnen. Basta. Das sitzt. Und einen Hehl macht der Veteran nicht daraus, daß man ein Motorrad lieben kann. Bei ihm hat die Liebe sogar göttliche Sphären erreicht: In seinem Heimatort Otterbach bei Kaiserslautern hat Luthringshauser eine ehemalige evangelische Kirche gekauft und zu einem Museum für Motorrad-Oldies umgebaut. Rund 70 Maschinen stellt er darin aus. „Ich bin Direktor, arbeite dort und bezahle -alles in einer Person bin ich“, sagt er. Und bevor andere aus einem Tempel einen Sündenpfuhl machen konnten, hat er ten hat er zugeschlagen: „Einer wollte ein Schwimmbad `nei moche, einer einen Wienerwald. Der Gipfel war ein Bauer - der wollt ein` Saustall `nei moche.“ Luthringshauser lacht. Und zieht die Kerzen fest.
Wilhelm Noll und Fritz Cron waren schon immer die Vornehmsten: „Turner mit Chauffeur“ beschreiben sich die Weltmeister von 1954 und 1956. Das Gespann hat 127 Weltrekorde für drei Seitenwagenklassen gehalten. „Immer auf BMW“, sagt Noll, selbst Baujahr 1926. Aber seitdem habe sich einiges verändert im Motorsport: „Das Geld spielt heute eine riesengroße Rolle, und Geld verdirbt den Charakter. Die Mentalität ist Flöten gegangen und die Kameradschaft auch“, meinen die Ex-Weltmeister. Der erste Platz habe am Nürburgring in den 50ern für den Fahrer 800 Mark, für den Beifahrer 200 gebracht. Und 250 Mark Spesen. „Kostendeckend war das nicht - aber es hat Spaß gemacht.“ Turner mit Chauffeur verabschieden sich; schließlich wollen sie noch die Rennen sehen. „Oberbauer“ haben sie Thorn Prikker einst genannt. Weil er nie einen Mechaniker an seine 250er Moto Guzzi Gambalunghino ließ und lieber selbst Hand angelegt hat.
„Der Vater des Erfolges: schrauben, schrauben, immer wieder schrauben...“, so sein Motto. Kein Wunder, denn angefangen hat er in den 30er Jahren als Renn-Mechaniker bei der Motorradfabrik Imperia in Bad Godesberg. Bis die 1935 Pleite ging; da hat er sich seine erste Trainingsmaschine aus der Konkursmasse gekauft und ist selbst mit dem Fahren angefangen. Prikker hat sich hochgeschraubt bis in seine große Zeit als zweifacher Deutscher Meister in den 50er Jahren. Nach einem bösen Sturz, und „weil meine Frau es nicht mehr wollte“, hat Thorn Prikker das Rennfahren 1955 aufgegeben. Seine alte Guzzi hat er damals nach England verkauft. Und wenn wir einen Wunsch frei hätten: Hoffentlich geht es ihr wie Prikker und den anderen Oldies vom Nürburgring - alt, aber gut gepflegt. Oder?